Denkende Maschinen

Wie humanoide Roboter die Industrie verändern
Dr.-Ing. Dana Díaz Torres | Ole Sassenroth
Aug. 2025 | Impuls | Deutsch | 8 Min.
Leitfragen
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Wie unterscheiden humanoide Roboter sich von klassischen Industrierobotern?
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Wo bringen humanoide Roboter in Unternehmen Mehrwert?
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Wie verändern humanoide Roboter langfristig Produktionssysteme?

Sie tanzen wie Menschen, balancieren wie Akrobaten oder servieren Kaffee mit ruhiger Hand: Roboter faszinieren – und wirken oft wie technische Wunderwerke. Doch die eigentliche Revolution findet unter der Oberfläche statt: Eine neue Generation intelligenter Maschinen verbindet Körperbeherrschung mit Lernfähigkeit. Humanoide Roboter erleben derzeit einen regelrechten globalen Hype. Fachmedien wie Stock3 oder Unternehmen wie die Deutsche Bank sprechen bereits vom „Jahr der humanoiden Roboter“.1; 2 Auch Tech-Größen wie Nvidia-CEO Jensen Huang und Tesla-Chef Elon Musk prognostizieren einen exponentiellen Aufstieg. Getrieben nicht nur durch technologische Innovationen, sondern durch Skalierung.3; 4 Laut Fortune Business Insights wird der globale Robotermarkt bis 2032 ein jährliches Wachstum (CAGR) von voraussichtlich über 45 Prozent erreichen.5 Darüber hinaus werden Unternehmen, wie Figure AI, die vor einigen Jahr noch als Start-up im Bereich humanoide Roboter galten, aktuell mit 40 Milliarden US-Dollar bewertet.6

Angetrieben wird diese Dynamik durch die aktuellen strukturellen Herausforderungen: Der zunehmende Fachkräftemangel, der demografische Wandel sowie die steigenden Lohnkosten in vielen Industrieländern erzeugen einen enormen Innovationsdruck. Die Folge: Unternehmen müssen ihre Prozesse schneller als geplant automatisieren. Humanoide Roboter versprechen hier nicht nur Effizienz, sondern auch Resilienz. Sie helfen Unternehmen, Ausfälle abzufedern und flexibel auf unerwartete Situationen zu reagieren.

Technologischer Fortschritt, wirtschaftlicher Handlungsdruck und soziale Dynamiken machen kognitive Roboter relevanter denn je.

Technologischer Fortschritt, wirtschaftlicher Handlungsdruck und soziale Dynamiken machen kognitive Roboter relevanter denn je.

Technologischer Fortschritt, wirtschaftlicher Handlungsdruck und soziale Dynamiken machen kognitive Roboter relevanter denn je.
Technologischer Fortschritt, wirtschaftlicher Handlungsdruck und soziale Dynamiken machen kognitive Roboter relevanter denn je.

Kognitive Robotik auf dem Vormarsch 

Humanoide Roboter rücken mit ihrer menschenähnlichen Gestalt zunehmend in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Doch entscheidend ist nicht ihr Aussehen, sondern ihre Funktion: Sie markieren den Beginn einer neuen Generation intelligenter Maschinen. Im Gegensatz zu klassischen Industrierobotern führen sie nicht nur Befehle aus, sondern nehmen ihre Umgebung wahr, interpretieren sie und reagieren eigenständig darauf. Möglich wird das durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI), durch die der Autonomiegrad dieser Systeme rasant steigt.7

Roboter lernen, komplexe Aufgaben zu verstehen und selbstständig zu lösen – in der Produktion ebenso wie im Service. Sie ahmen zunehmend menschliches Verhalten nach, passen sich an neue Situationen an und ermöglichen eine nie dagewesene Flexibilität und Zukunftsfähigkeit in der Automatisierung.8 Es sind diese kognitiven Fähigkeiten, die den Grundstein für humanoide Roboter legen. Entscheidend ist, wie intelligent und anpassungsfähig ein System ist.

Parallel schreitet die Entwicklung im Bereich der KI mit hoher Geschwindigkeit voran. Besonders große Sprachmodelle (Large Language Models) wie ChatGPT und visuelle KI-Systeme revolutionieren die Mensch-Maschine-Interaktion. Fortschritte in Sensorik und Aktorik für Roboter senken zudem die Eintrittshürden für den Serieneinsatz deutlich, bis zu 40 Prozent jährlich werden angenommen.9; 10 Viele Herausforderungen, die noch vor wenigen Jahren reine Forschungsprojekte waren – etwa autonomes Gehen, Objekterkennung und Werkzeugbedienung – stehen kurz vor dem Serieneinsatz zu deutlich geringeren Kosten.

In den letzten fünf Jahren sind die Entwicklungs- und Herstellungskosten für humanoide Roboter deutlich gesunken – dank Fortschritten in KI, Sensorik und Fertigung.

In den letzten fünf Jahren sind die Entwicklungs- und Herstellungskosten für humanoide Roboter deutlich gesunken – dank Fortschritten in KI, Sensorik und Fertigung.

In den letzten fünf Jahren sind die Entwicklungs- und Herstellungskosten für humanoide Roboter deutlich gesunken – dank Fortschritten in KI, Sensorik und Fertigung.
In den letzten fünf Jahren sind die Entwicklungs- und Herstellungskosten für humanoide Roboter deutlich gesunken – dank Fortschritten in KI, Sensorik und Fertigung.

Beispiele wie der 4NE-1 der deutschen Firma NEURA Robotics zeigen: Die neue Robotergeneration ist nicht mehr nur ein Laborprototyp, sondern auf dem Weg zur Massenproduktion. Die Preise sinken auf unter 50.000 Euro, das Handling wird einfacher und die Interaktion natürlicher.11 Dieser Fortschritt ist nicht nur ein Beleg für den technologischen Reifegrad, sondern auch ein Weckruf: Unternehmen, die jetzt mit Pilotanwendungen starten, sichern sich Erfahrungswissen, gestalten Standards mit und verschaffen sich einen strategischen Vorsprung.

 

Dynamisch, lernfähig und vernetzt

Der Einsatz kognitiver Roboter markiert mehr als nur den nächsten Schritt in der Automatisierung. Er leitet einen Paradigmenwechsel industrieller Fertigung ein. Während klassische Industrieroboter auf präzise programmierte Abläufe angewiesen sind, agieren kognitive Systeme zunehmend dynamisch, kontextsensitiv und treffen Entscheidungen in Echtzeit. Dadurch verändern sich auch Produktionsumgebungen grundlegend. Aus starren Linien mit klarer Aufgabenverteilung entstehen adaptive, lernfähige Fabriksysteme, in denen Roboter und Menschen kollaborativ zusammenarbeiten.12 Damit eröffnen sich neue Perspektiven für industrielle Anwendungen. Insbesondere in Bereichen mit hoher Variantenvielfalt, komplexer Montage oder sensibler Handhabung, beispielsweise in der Automobilindustrie, Medizintechnik oder Elektronikmontage. Die Entwicklung solcher Anwendungen erfolgt schrittweise in mehreren aufeinander aufbauenden Wellen.

Humanoide Roboter werden in der Industrie voraussichtlich in drei Wellen immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.

Humanoide Roboter werden in der Industrie voraussichtlich in drei Wellen immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.

Humanoide Roboter werden in der Industrie voraussichtlich in drei Wellen immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.
Humanoide Roboter werden in der Industrie voraussichtlich in drei Wellen immer anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.

Erste Welle – Assistenz (ab 2025)  

In der ersten Welle übernehmen humanoide Roboter einfache, aber kognitiv anspruchsvolle Aufgaben, die für Menschen meist monoton oder körperlich belastend sind. Beispiele sind das Sortieren, Bereitstellen von Materialien oder das Einlegen von Werkstücken in Prüfstände. Dabei arbeiten die Roboter meist nach klaren Abläufen aber mit hoher Präzision – wie etwa bei der Zusammenstellung von Bauteilen in sogenannten Supermärkten, etwa in der Automobilindustrie. Mitarbeitende stellen dort von Hand individuelle Montagesets aus Clips, Schraubensätzen oder Sensoren für bestimmte Fahrzeugvarianten zusammen. Kognitive Roboter können diese Tätigkeit übernehmen, indem sie autonom durch die Regalreihen navigieren, die richtigen Behälter anhand visueller Sensorik erkennen, die benötigten Teile greifen und sie geordnet für den nächsten Montageschritt bereitstellen.13 Hierzu müssen die Roboter nicht zwingend Beine haben, sondern können auch auf Rollen durch die Regalreihen fahren. 

 

Zweite Welle – Rückkopplung (ab 2030)  

Ab der zweiten Welle können kognitive Roboter selbstständig mit digitalen Steuerungssystemen kommunizieren (autonome Rückkopplung). Sie werten zum Beispiel Sensordaten aus, um die Qualität ihrer Arbeit zu prüfen und ihre Handlungen direkt im laufenden Prozess anzupassen. Sie integrieren sich nahtlos in cyber-physische Systeme (z.B. digitale Zwillinge), kommunizieren über Datenströme und reagieren nicht nur auf physische Reize, sondern auch auf digitale Signale, Kraftverläufe oder Vibrationen in Echtzeit. So können sie die Qualität ihrer Arbeit selbst überprüfen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Diese Welle markiert den Übergang von rein reaktiven zu zunehmend selbstorganisierten Systemen.14

 

Dritte Welle – Autonomie (ab 2035)  

Die dritte Welle beschreibt den Übergang zu flexiblen, dynamischen Produktionssystemen. Kognitive Roboter arbeiten künftig nicht mehr entlang starrer Taktstraßen, sondern übernehmen situativ unterschiedlichste Aufgaben – flexibel und adaptiv. In der Fertigung können sie individuell konfigurierte Produkte direkt am Werkstück montieren, ohne feste Stationen. In diesen Netzwerken erfassen sie selbstständig Störungen, priorisieren Aufgaben neu und passen Prozesse in Echtzeit an – unterstützt durch digitale Zwillinge und KI-Systeme. Auch sensible Arbeiten, etwa in der Endmontage von Medizingeräten, könnten in Zukunft so unterstützt werden. Diese Vision ist ambitioniert, doch erste Forschungsprojekte wie „Roboverse XR“ oder „KogniRob“ zeigen bereits, dass dies möglich ist.15

Kognitive Roboter entwickeln sich vom reinen Werkzeug hin zum strategischen Systemelement der smarten Produktion.16 Ihre Beweglichkeit, Lernfähigkeit und Vernetzungsfähigkeit machen sie zum Schlüssel für robuste, adaptive Fabriken der Zukunft. Diese zunehmende „Task-Flexibilität“17 erlaubt es ihnen, neue Aufgaben ohne aufwändiges Umprogrammieren zu übernehmen, als sogenannte „Zero Effort Devices“.18

 

Kognitive Roboter schließen die Automatisierungslücke  

Die Industrie gewinnt durch kognitive Robotik an Resilienz und Anpassungsfähigkeit, was insbesondere in volatilen Märkten und unter geopolitischem Druck entscheidende Vorteile bietet. Wer flexibel auf Schwankungen reagieren kann – etwa durch wandelbare Produktionslinien – bleibt auch unter instabilen Bedingungen leistungsfähig. Automobil-OEMs erreichen bereits heute durch Industrieroboter, Automated Guided Vehicles, Autonomous Mobile Robots oder Cobots ein hohes Maß an Automatisierung (ca. 80 %). Die Automatisierung scheiterte bislang jedoch an den „letzten 20 Prozent“, an Tätigkeiten mit hoher Varianz, komplexer Motorik oder situativem Denken. Genau hier setzen kognitive Roboter an.

Sie schließen diese Lücke und eröffnen das Potenzial selbstoptimierender Prozesse, die sich laufend verbessern. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht eröffnet der Einsatz kognitiver Roboter neue Effizienzpotenziale. Investitionen in diese Technologie zahlen sich nicht nur über Kosteneinsparungen bei manuellen Tätigkeiten aus, sondern ermöglichen es Unternehmen, bestehende Fachkräfte besser einzusetzen und dem Arbeitskräftemangel aktiv zu begegnen. Gleichzeitig sinken die Eintrittsschwellen für Automatisierung, da kognitive Systeme weniger Spezialwissen zur Bedienung und Wartung erfordern und sich in modulare, skalierbare Architekturen einfacher integrieren lassen. Die Einführung kognitiver Roboter zwingt Unternehmen, ihre Prozesse, Rollenbilder und Wertschöpfungsmodelle neu zu denken. Wer diesen Wandel proaktiv gestaltet, kann nicht nur produktiver, sondern auch deutlich zukunftsfähiger wirtschaften.

Kernaussagen
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Humanoide Roboter sind kognitive Maschinen, die durch sensorische Wahrnehmung, Beweglichkeit und KI-basierte Entscheidungsfähigkeit unterschiedliche Aufgaben eigenständig ausführen.
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Kognitive Roboter entlasten gezielt bei Fachkräftemangel und steigenden Kosten. Sie übernehmen komplexe Tätigkeiten und passen sich dynamisch an wechselnde Umgebungen an.
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Um das Potenzial kognitiver Roboter voll auszuschöpfen, müssen Produktionsprozesse und Arbeitsmodelle neu gedacht werden. Wer diesen Wandel frühzeitig einleitet, sichert sich Wettbewerbsvorteile und realisiert nachhaltige Effizienzgewinne.

Appendix

Sources

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